Inhaltsverzeichnis:
- Heinrich Strößenreuther und die Bürgerinitiative „Baumentscheid“
- Aktueller Zustand der Berliner Stadtbäume
- Kosten, Finanzierung und Kritik
- Wissenschaftliche Erkenntnisse und erwartete Wirkung
- Politische Bedeutung und Ausblick
Heinrich Strößenreuther und die Bürgerinitiative „Baumentscheid“
Die Sondersitzung im Abgeordnetenhaus war notwendig, weil der Beschluss nicht bis zur regulären Plenarsitzung am Donnerstag hätte warten dürfen. Der Gesetzentwurf stammt von der Bürgerinitiative „Baumentscheid“, die seit 2023 für verbindliche Maßnahmen zur Klimaanpassung kämpft. CDU und SPD übernahmen die Initiative fast unverändert – ein ungewöhnlicher Vorgang im Berliner Parlament.
Der Aktivist Heinrich Strößenreuther, bekannt aus dem „Volksentscheid Fahrrad“, gehört zu den treibenden Kräften hinter dem Gesetz. Er kündigte an, die Umsetzung des Projekts genau zu beobachten. Bereits bis Ende 2027 sollen rund 10.000 neue Bäume gepflanzt werden, um den Schwund der vergangenen Jahre auszugleichen.
Die Initiative fordert, dass auf jeder Straßenseite und auf allen ausreichend breiten Mittelstreifen alle 15 Meter ein gesunder Straßenbaum wächst. Zusätzlich sind 1.000 sogenannte „Kälteinseln“ und 100 Mini-Parks geplant. Diese sollen insbesondere in dicht bebauten Vierteln für Abkühlung sorgen.
Ein unabhängiger Kontrollrat aus fünf Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen wird die Umsetzung überwachen. Er soll regelmäßig Berichte vorlegen und die Einhaltung der Klimaziele prüfen. Die Initiative sieht in diesem Schritt eine dauerhafte Kontrolle, damit die politischen Versprechen tatsächlich umgesetzt werden.
Mehr Informationen zur städtischen Umweltpolitik finden Sie unter aktuellen Finanzentscheidungen des Berliner Senats.
Aktueller Zustand der Berliner Stadtbäume
Die aktuelle Situation zeigt den dringenden Handlungsbedarf. Berlin verfügt über rund 440.000 Stadtbäume, doch ihre Zahl sinkt stetig. 2024 wurden 5.280 Straßenbäume gefällt, aber nur 2.571 nachgepflanzt. Das Defizit beträgt 2.709 Bäume – ein alarmierender Trend.
Der jüngste Zustandsbericht aus dem Jahr 2020 ergab, dass mehr als die Hälfte der Bäume in der Innenstadt geschädigt sind. Besonders stark betroffen sind Rosskastanien – bei ihnen sind rund 90 Prozent krank. Ursachen sind extreme Trockenheit, Hitzestress und unzureichende Pflegebudgets.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Stadtbäume an heißen Tagen die Temperatur um bis zu vier Grad Celsius senken können. Unter großen Bäumen liegt die Differenz sogar bei bis zu 15 Grad. Diese Kühlwirkung ist für die dicht bebaute Hauptstadt von zentraler Bedeutung.
Das Gesetz sieht vor, die Temperaturen in 170 sogenannten „Hitzevierteln“ um mindestens zwei Grad zu senken. Gleichzeitig sollen die Bäume Feinstaub aus der Luft filtern, CO₂ binden und die Luftfeuchtigkeit erhöhen.
Einen Überblick über die Folgen extremer Wetterlagen für Berlin bietet der Bericht zu Unwettern in Berlin und Brandenburg.
Kosten, Finanzierung und Kritik
Die Finanzierung des Projekts ist eine der größten Herausforderungen. Der Senat plant, bis 2040 rund 3,2 Milliarden Euro zu investieren. Zwei Milliarden sollen aus dem Sondervermögen des Bundes stammen, der über Kredite finanziert wird. Berlin erhält daraus innerhalb von zwölf Jahren insgesamt 5,25 Milliarden Euro.
Doch Kritiker halten die Kosten für zu hoch. Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark erklärte, dass er es nicht befürworte, „die Hälfte des Sondervermögens für neue Bäume einzusetzen“. SPD-Politikerin Linda Vierecke wies darauf hin, dass die jährlichen Kosten bei rund 500 Millionen Euro liegen würden, während der Umweltetat nur etwa 300 Millionen umfasst.
Hinzu kommen Zweifel an der praktischen Umsetzung. Nach Einschätzung des Senats fehlt vielerorts der Platz für neue Pflanzungen. Parkplätze, Bushaltestellen, Feuerwehrzufahrten und Ladeinfrastruktur verhindern häufig, dass neue Standorte geschaffen werden können.
Darüber hinaus kritisieren Umweltverbände Kürzungen im Haushaltsentwurf 2026/2027, wonach die Mittel für die Baumpflege von 3,5 Millionen Euro auf null reduziert werden sollen. Einige Beobachter werfen der Regierung vor, mit dem schnellen Beschluss vor allem den drohenden Volksentscheid umgehen zu wollen.
Weitere Analysen zu städtischen Infrastrukturproblemen gibt es unter Probleme der Berliner Brücken.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und erwartete Wirkung
Bäume gelten als eines der effektivsten Mittel gegen urbane Überhitzung. Eine Studie der Technischen Universität Berlin zeigt, dass begrünte Straßenabschnitte die Temperatur um bis zu vier Grad senken können. In Parks sinken die Werte im Sommer um bis zu fünf Grad im Vergleich zu bebauten Gebieten.
Die Verdopplung der Baumbestände würde die Kühlleistung der Stadt signifikant erhöhen. Neben dem Temperaturausgleich profitieren auch Luftqualität und Stadtklima. Bäume binden Staubpartikel, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und spenden Schatten – besonders in dicht bebauten Vierteln wie Mitte, Neukölln oder Friedrichshain.
Die geplanten „Kälteinseln“ sollen außerdem als Rückzugsorte bei Hitzewellen dienen. Diese kleinen Grünflächen werden mit Schatten spendenden Pflanzen, Sitzgelegenheiten und Wasserstellen ausgestattet. Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu verbessern und gesundheitliche Risiken durch Hitze zu mindern.
Politische Bedeutung und Ausblick
Das neue Gesetz gilt als Meilenstein für den Berliner Umweltschutz. Erstmals in Deutschland wird ein kommunales Klimaanpassungsgesetz dieser Größenordnung umgesetzt. Die Initiative „Baumentscheid“ hat mit über 33.000 gesammelten Unterschriften ihren Einfluss auf die Stadtpolitik bewiesen.
Die Regierung betont, dass mit dem Projekt ein „Jahr früher als geplant“ mit der Klimaanpassung begonnen werden könne. CDU und SPD sehen darin ein gemeinsames Signal für den Schutz der Stadt vor den Folgen der Erderwärmung.
Trotz Kritik bleibt die Zustimmung in der Bevölkerung hoch. Viele Berlinerinnen und Berliner wünschen sich mehr Grün, bessere Luft und kühlere Straßen. Wenn die Umsetzung gelingt, könnte Berlin europaweit Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung werden – ein Symbol für den Wandel hin zu einer klimaresilienten Metropole.
Weitere Meldungen zu Berliner Umwelt- und Verkehrsinitiativen finden Sie unter Widerstand gegen Radweg-Stopp in Berlin.
Quelle: rbb24, www.milekcorp.com/de